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Aus den Magazinen des Landesarchivs (Januar 2018)

„Ansiedlung einer Zuckerrübenfabrik in Ostfriesland – Standort Wiesmoor“ (NLA AU Dep. 118, Nr. 85)


Als der Direktor des Torfkraftwerks der Nordwestdeutschen Kraftwerke AG in Wiesmoor, Jan Hinrichs, diese colorierte Karte im August 1951 auf einer Besprechung in Emden vorstellte, wurde noch heftig um den vermeintlich besten Standort einer neuen und mit ECA-Mitteln geförderten Zuckerrübenfabrik in Ostfriesland gestritten: Emden, Leer und Wiesmoor hatten ihre Ansprüche angemeldet. Hinrichs wollte mit dieser Karte demonstrieren, dass um Wiesmoor herum bis in die Wesermarsch hinein ausreichend Rüben für eine Zuckerfabrik angebaut werden könnten, dass „seine“ Gemeinde sozusagen in der Mitte Ostfrieslands lag und dass durch Fehnkanäle, Eisenbahnverbindungen und Straßen der Antransport des Rohstoffs Rüben und der Abtransport der als Viehfutter angefallenen, begehrten Trocken- und Rübenschnitzel gewährleistet war.

Die Gelegenheit, im „Notstandsgebiet“ Ostfriesland mit hoher Arbeitslosigkeit einen wirtschaftlichen Aufschwung anzustoßen, war günstig: Ende 1949 / Anfang 1950 wurde von Seiten der Bundesregierung die Förderung des Baus von drei neuen Zuckerfabriken angeregt. Aus Mitteln des Marschall-Plans sollten 30 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, je 10 Millionen für eine Fabrik in Süddeutschland, in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen.

Ein erstes Gutachten vom September 1950 bescheinigte sowohl der Region um Oldenburg und Bassum als auch der um Leer in Ostfriesland gute Voraussetzungen für die Errichtung einer Zuckerrübenfabrik.

Damit stand Ostfriesland gleich vor zwei großen Herausforderungen: Einmal musste die Region überzeugende Argumente für den Standort Ostfriesland sammeln, um sich gegen die Konkurrenten in Niedersachsen zu positionieren, andererseits musste aber auch innerhalb Ostfrieslands ein Standort benannt werden, damit die Fördergelder beantragt werden konnten.

Obwohl man sich in Ostfriesland einig war, dass die Standortfrage maßgeblich von der Erzeugergemeinschaft, den Landwirten, zu entscheiden war, schalteten sich bald neben der Industrie- und Handelskammer auch die Städte Emden und Leer sowie die Gemeinde Wiesmoor ein. Sie hatten erkannt, welche große Bedeutung eine solche industrielle Anlage auf das Wirtschaftleben ihrer Stadt ausüben konnte.

Von der Stadt Emden angeregt, gab die IHK ein weiteres Gutachten in Auftrag, das im August 1951 vorgestellt wurde, mit dem Ergebnis, dass Emden vor Wiesmoor und Leer priorisiert wurde. Auf der daraufhin einberufenen Besprechung am 24. August 1951 nahmen Vertreter der Städte Emden und Leer, der Regierung in Aurich, Landtagsabgeordnete und Vertreter der Landwirtschaft und der IHK teil. Jan Hinrichs, der als „Einwohner“ Wiesmoors sprach, zählte noch einmal alle Vorzüge Wiesmoors auf. Eine Lösung konnte auch diesmal nicht herbeigeführt werden.

Die Unfähigkeit, sich zügig zu einigen, hatte ihren Preis. Anfang 1952 signalisierte die Bundesregierung, dass die Ansprüche auf ECA – Mittel erloschen seien, in Niedersachsen wurde im Gegensatz zu Bayern und Schleswig-Holstein keine Zuckerfabrik aus Fördermitteln gebaut – weder in Emden, Leer oder Wiesmoor noch im Raum Oldenburg.

 
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