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Aus den Magazinen des Landesarchivs (Oktober 2011)

Appellationsprivileg für das Kurfürstentum Hannover (Hauptstaatsarchiv Hannover, Cal. Or. 3 Nr. 184).


HStA Hannover Cal. Or. 3 Nr. 184  

Am 14. Oktober 1711 – vor genau dreihundert Jahren also – wurde das neugegründete Oberappellationsgericht Celle von dem Präsidenten der Celler Justizkanzlei Andreas Gottlieb Reichsfreiherr von Bernstorff feierlich eröffnet. Es war das höchste Rechtsprechungsorgan des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg und entsprach in seiner grundsätzlichen Funktion den im 18. und frühen 19. Jahrhundert eingerichteten Oberappellationsgerichten anderer Territorien wie etwa Bayern oder Hessen-Kassel. Aus dem Oberappellationsgericht ging das heutige Oberlandesgericht Celle hervor.

Als finale Berufungsinstanz in Zivilsachen war das Oberappellationsgericht unabhängig von der Jurisdiktion der Reichsgerichte. Seine Gründung war eine unmittelbare Reaktion auf die Erlangung der Kurwürde im Jahr 1692 (die allerdings erst 1708 durch den Reichstag förmlich bestätigt wurde) und war von dem Geheimrat und Vizekanzler Weipart Ludwig von Fabrice und dem Hofrat Paul von Püchler, die der Justizkanzlei in Celle angehörten, vorbereitet worden. Das Oberappellationsgericht in Celle war zuständig für das Gebiet der hannoverschen Kurlande, von 1715 an auch für die Herzogtümer Bremen und Verden und ab 1747 schließlich auch für das Herzogtum Lauenburg.

Diese kurfürstliche Unabhängigkeit von der kaiserlichen Jurisdiktion gründete sich auf dem Privileg des Landesherrn, seinen Untertanen zu untersagen, letztinstanzlich an Reichsgerichte zu appellieren („Berufung einzulegen“), ein Vorrecht, das Kurhannover jedoch erst sieben Jahre nach der Gründung des Oberappellationsgerichts endgültig eingeräumt wurde. Am 16. August 1716 erteilte Kaiser Karl IV. König Georg I. von Hannover das illimitierte (d. h. uneingeschränkte) ius de non appellando; die Notifikation durch Reichshofrat und Reichskammergericht erfolgte zwei Jahre danach. Das Appellationsdiplom besteht aus vier Doppelbögen aus Pergament, die in einen modernen roten Samteinband eingebunden sind. An silbergewirkter Schnur hängt das große kaiserliche Siegel, das in einer Holzkapsel verschlossen ist.

Der Verleihung des Privilegs war ein jahrelanges Ringen um die Rechtsunabhängigkeit des Kurfürstentums vorausgegangen – ein Konflikt, der auch den anderen Territorialherren nicht erspart blieb. Deren Berufung auf das 1356 mit der Goldenen Bulle verliehene Appellationsprivileg wurde von Seiten des Kaisers mit dem Hinweis auf seinen Nichtgebrauch abgelehnt. Hannover, das darin überhaupt keine Erwähnung fand, konnte sich dagegen allein auf Gewohnheitsrecht berufen. Auf Grund dieser vergleichsweise schwachen Argumentationsbasis, aber auch wegen außenpolitischer Ereignisse, der zunächst strittigen Anerkennung der neunten Kur sowie der ungeklärten Zuständigkeit der Privilegierung gelang der hannoverschen Diplomatie erst spät und auch erst nach Etablierung des Celler Gerichts und zähen Verhandlungen um den genauen Wortlaut die Erlangung dieses wichtigen Dokuments.

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